Kapitel 5: Grundlagen und Aufbau der Kommunalpolitik
A. Grundlagen des Staatsaufbaus
Einstieg in die Thematik
Unser Staatssystem ist seit der Gründung der westdeutschen Bundesländer von seinem Wesen her nach einem föderalen System vierstufig aufgebaut. Neben der Bundesebene umfasst dieses die Landesebene mit deren mittlerer Verwaltungsebene (Regierungspräsidien) sowie die Kommunalebene, die sich noch einmal in eine Landkreis- sowie Stadt- und Gemeindeebene gliedert.
Die Rolle der kommunalen Selbstverwaltung
Die individuelle Ausgestaltung des Artikels 28 Abs. 2 GG ist Ländersache und wird in den Artikeln 137 und 138 HV näher geregelt, was aber nicht bedeutet, dass das Land Hessen beziehungsweise jede Kommune sich so verwalten kann, wie sie es gerne möchte: Die Regelung der örtlichen Angelegenheiten muss im Rahmen der bestehenden Gesetze und Verordnungen erfolgen. Damit diese institutionelle Selbstverwaltungsgarantie gegeben ist, müssen gemäß Art. 28 Abs. 3 GG die Grundlagen der finanziellen Eigenversorgung gewährleistet sein.
Checkliste:
Merkmale kommunaler Selbstverwaltung
- 1. Finanzhoheit:
Die Gemeinde muss über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um die ihr übertragenen Aufgaben finanzieren zu können.- 2. Gebietshoheit:
Die Gemeinde bezieht ihre Hoheitsrechte auf den gesamten Teil des Staatsgebietes, der ihr zugeordnet ist.- 3. Personalhoheit:
Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben bei ihr Beschäftigte einsetzen.- 4. Planungshoheit:
Es ist Recht und Pflicht der Kommunen, derart vorausschauend zu planen, dass ihr Hoheitsgebiet sich weiterentwickeln kann.- 5. Verwaltungshoheit:
Die Gemeinde hat das Recht, die ihr zugewiesenen Aufgaben in eigenem Namen und durch eigene Rechtsakte zu erfüllen.- 6. Satzungsautonomie:
Die Gemeinde darf innerhalb ihres Gemeindegebietes eigene Satzungen bzw. Gebührenordnungen erlassen.
Zu den verschiedenen Arten von Aufgaben der Kommune gehören:
- a) Pflichtaufgaben
Zu den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben sind die Gemeindeverbände und Gemeinden – wie die Bezeichnung vermuten lässt – per Gesetz verpflichtet. In der Regel erfolgt diese Verpflichtung per Bundes- oder Landesgesetz, möglicherweise aber auch durch eine Rechtsordnung. Bei diesen Selbstverwaltungsaufgaben obliegt es dementsprechend nicht der Kommune zu entscheiden, ob sie diese Aufgabe erfüllen möchte. Sie kann aber in der Regel die Art der Umsetzung entscheiden.
Zu den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben zählen beispielsweise der Katastrophenschutz, die Abwasser- und Müllbeseitigung sowie der Bau und die Unterhaltung von Schulen und Kindergärten. Hierfür tragen die Landkreise oder die Gemeinden die finanzielle Verantwortung. Daneben gibt es noch die sogenannten „übertragenen Aufgaben", wie etwa die Bauaufsicht, welche zwar von den Kommunen selbst erledigt werden müssen, über die sie aber keine eigene Entscheidungskompetenz besitzen. Diese wiederum liegt beim Bund beziehungsweise beim Land.
- b) Weisungsaufgaben
Den Gemeinden können durch Gesetz Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden; das Gesetz bestimmt die Voraussetzungen und den Umfang des Weisungsrechts und hat gleichzeitig die Aufbringung der Mittel zu regeln. Die Weisungen sollen sich auf allgemeine Anordnungen beschränken und in der Regel nicht in die Einzelausführung eingreifen. Die Gemeinden sind verpflichtet, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlichen Kräfte und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen.
- c) Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben und Leistungen
Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben dienen in der Regel dem Wohl der Bürger_innen einer Kommune und können in Form von kulturellen Angeboten (Museen, Theater, regionaler Bärenpark ...), wirtschaftlichen Verbesserungen (Ausbau der Gewerbegebiete, Messen usw.) oder sozialen Hilfen (Suchtberatung, Altenpflege usw.) erfolgen. Wie groß der Umfang der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben tatsächlich ist, richtet sich individuell nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und wirtschaftlichen Stärke beispielsweise der Gemeinden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Landkreise in Einzelfällen einer Stadt oder Gemeinde finanziell unter die Arme greift, wenn z.B. der Ort zwar freiwillige Selbstverwaltungsgaben erfüllen möchte, dies aber aus Geldmangel nicht leisten kann. Dies geschah beispielsweise beim Stadttheater in Gießen, das wegen seiner überregionalen Bedeutung auch aus Mitteln des Landkreises unterstützt wurde, bevor sich eine entsprechende Gesellschaft gründete.
Politische Bewertung:
Durch die (mit wenigen Ausnahmen) flächendeckende Verarmung der Landkreise, Städte und Gemeinden können diese nur noch im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben tätig werden. Alles andere wie z.B. Schwimmbäder, Freizeit-, Grün- und Sportanlagen hängt vom Wohlwollen der zuständigen Kommunalaufsicht ab, sofern man nicht unter dem Schutzschirm des Landes steht.
B. Wesentliche Regelungen für die Kommunen
Kommunale Wahlen und Wahltermine
(§ 2 Abs. 1 Satz 2 KWG)
Die Wahl zu den hessischen Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Gemeindevertretungen und Ortsbeiräten findet im Abstand von fünf Jahren (2016, 2021, 2026 usw.) an einem Sonntag im Monat März statt. Der genaue Wahltermin wird von den Mitgliedern der Landesregierung durch eine eigene Verordnung bestimmt.
Kommunaler Finanzausgleich
(Art. 137 Abs. 5 HV)
Die Hessische Verfassung verpflichtet das Land Hessen, den Kommunen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Die Einzelheiten sind im Finanzausgleichsgesetz geregelt. Mit dem Kommunalen Finanzausgleich wird auch die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen zu einem beträchtlichen Teil ausgeglichen. Die Kommunen erhalten die allgemeinen Finanzzuweisungen zur Stärkung ihrer Finanzkraft. Sie sollen vor allem auch Unterschiede in der Finanzkraft zwischen den einzelnen Kommunen verringern.
Politische Bewertung:
Da den Kommunen seit einiger Zeit vom Land Hessen immer weniger
Finanzmittel aus dem Ausgleichstopf des Kommunalen Finanzausgleiches (KFA) zugewiesen wurden, konnten sie immer weniger ihrer Aufgabenerfüllung gerecht werden. Gegen diese Praxis klagte die Stadt Alsfeld erfolgreich beim Staatsgerichtshof in Wiesbaden und bekam im Mai 2013 Recht zugesprochen. Das Land Hessen muss bis Ende 2015 nun diesen KFA neu ordnen. (s. mehr unter Link).
Die Regierungspräsidien als Kommunalaufsicht
In Hessen gibt es seit 1981 drei Regierungspräsidien (Darmstadt, Gießen, Kassel). Diese regionalen Zwischenbehörden, denen von den einzelnen Landesbehörden Aufgaben übertragen wurden, üben die Fach- und Rechtsaufsicht gegenüber den Landratsämtern (Landkreise) und den größeren Städten (Kreisfreie- und Sonderstatusstädte) mit über 50.000 Einwohnenden aus. Auch die Städte und Gemeinden, die unter dem „Schutzschirm" sind, fallen darunter. So finden sich in den Regierungspräsidien mit Ausnahme der Schulverwaltung alle anderen Fachbereiche der Landesverwaltung wieder.
Die jetzige Landesregierung beabsichtigt auch die Kommunalaufsicht über die übrigen kreisangehörigen Kommunen bei den RPs zu konzentrieren (s. Schwarz-Grüne Koalitionsvereinbarung von 2013, S. 88/4195). Dabei werden von diesen einzelnen Mittelbehörden auch speziell übertragene Aufgaben wahrgenommen, die über den Regierungsbezirk hinausgehen.
Kommunale Spitzenverbände
(Städte- und Landkreistag)
Um als Gebietsverbände bzw. Städte und/oder Gemeinden die Interessen auf der Bundes- und Landesebene besser vertreten zu können, haben sich bereits in den 1950er-Jahren die einzelnen kommunalen Exekutivgremien zum Deutschen und Hessischen Landkreistag, dem Städtetag sowie dem Städte- und Gemeindebund zu kommunalen Interessenvertretungen zusammengeschlossen. Ziel dieser Dachverbände ist es zum einen, kommunale Belange gegenüber den anderen Staatsorganen und der Öffentlichkeit bekannter zu machen, zum anderen, gegenüber den Gesetzesorganen die Interessen der jeweiligen Kommunalgruppierungen als Zusammenschluss besser und wirkungsvoller vertreten zu können. Im Laufe der Zeit wurden diesen Gremien einige Rechte zugestanden. So werden sie bei anstehenden Gesetzesvorhaben, die die Kommune direkt betreffen, vorher angehört.
Weitere kommunale Vertretungen
Neben den beschriebenen Vertretungen gibt es noch einige andere inhaltliche sowie regionalspezifische kommunale Verbände. Zu nennen ist hier beispielsweise der Umlandverband Frankfurt.
Kommunaler Schutzschirm
(SchSG)
Der Kommunale Schutzschirm ist ein Programm des Landes Hessen zur Teilentschuldung der überschuldeten Gemeinden und Landkreise, das vom Hessischen Landtag im Mai 2012 beschlossen wurde. Der Schutzschirm (so die Initiatoren) soll die dauerhafte finanzielle Leistungsfähigkeit konsolidierungsbedürftiger (finanzknapper) Kommunen regeln. Die Entlastung der Gemeinden soll 2,8 Milliarden Euro zur Tilgung und 400 Millionen Euro für Zinsbeihilfen betragen. Ziel des Schutzschirms soll es sein, Konsolidierungshilfen „als Chance zum Neustart" zu erhalten. Die Kommunen verpflichten sich nach dem freiwilligen Beitritt zu ausgeglichenen Haushalten. Ein nie offiziell verabschiedetes, aber trotzdem in Umlauf gebrachtes Handbuch zur Haushaltskonsolidierung empfahl dabei eine ganze Reihe von Kürzungsmaßnahmen, die in den Kommunen zur Haushaltskonsolidierung vorgenommen werden könnten. Es gibt keine Vorschriften, wie der Ausgleich des Haushalts erreicht werden kann sondern nur „Empfehlungen" aus dem offiziell nie veröffentlichten Handbuch.
Landeswohlfahrtsverband Hessen
Der Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) ist ein Zusammenschluss der 21 Landkreise und 5 kreisfreien Städte in Hessen, dem eine Reihe von sozialen Aufgaben übertragen wurde. Er ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und in dieser Funktion als überörtlicher Träger im Schwerbehinderten-, Schul- und Sozialbereich tätig. Hierzu gehören beispielsweise:
- 1. Schulen mit sonderpädagogischem Förderbedarf
- 2. Kriegsopferfürsorge
- 3. Träger größerer Krankenhäuser (Vitos-Kliniken Psychiatrie)
- 4. Träger von Einrichtungen und Werkstätten für Schwerbehinderte
- 5. Träger von Jugendheimen
Der LWV hat seinen Hauptsitz in Kassel. Neben diesem gibt es noch zwei Regionalverwaltungen in Darmstadt und Wiesbaden. Zu den Entscheidungsträgern des LWV gehören die Verbandsversammlung, die alle fünf Jahre (in fünf Bezirken) von den Kreistagen bzw. Stadtverordnetenversammlungen gewählt wird, und der Verbandsausschuss als Verwaltungsbehörde. Dieser setzt sich aus allen haupt- und ehrenamtlichen Beigeordneten sowie dem Direktor des LVWs zusammen.
Wichtig:
Das Lesen (und Verstehen) der jeweiligen Veröffentlichungen z.B. des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, des Hessischen Städtetags usw. ist Pflicht für LINKE-Mandatsträger_innen, weil hier wesentliche Urteile und Entscheidungen veröffentlicht werden.